Die übrigen Fahrzeuge, die das Schiff verlassen hatten, verloren sich bald in abbiegenden Straßen, während der Wagen, in dem Hans fuhr, der Hans fuhr, einer geraden Straße folgend in das Land hineinstach, wie eine Nadel in den Arm durch das Fleisch Knochen eine Vene zu finden, dachte Hans, ohne sich über diese Assoziation weitere Rechenschaft abzulegen. Die wenigen Schilder am Rand der Straße konnte Hans wegen der fremden Lettern nicht lesen. Nur hin und wieder konnte er Zahlen erhaschen, die ihm viel zu hoch schienen, um Kilometerangaben zu bedeuten. Anfangs hatte Hans versucht, mit dem Fahrer zu reden, zu lächeln; hatte schließlich, um mit Melodie zu sprechen, brüchig einige Takte eines Liedes angestimmt, das ihm in Erinnerung war, woraufhin der Fahrer das Radio eingeschaltet und ein Päckchen Tabak hervorgeholt hatte, um eine Zigarette zu drehen. Durch ein Rauschen, nicht unähnlich dem des Meeres, über das Hans hergekommen war, drang nur hin und wieder wie versuchendes Streichen, das über die Saiten einer nach fremdem System gestimmten oder gänzlich ungestimmten Geige geführt wurde. Der Fahrer hielt die Zigarette im Mundwinkel, ließ die Asche unbekümmert auf seine Kleidung fallen, von wo, was sich nicht im Stoff verfing, auf den Boden des Wagens fiel. Er nahm, nachdem er aufgeraucht hatte, die Zigarette aus dem Mund und kurbelte das Fenster ein Stück hinunter, um die Kippe hinauszuwerfen. Hans beugte sich hin und wieder vor, um wie der Fahrer konzentriert auf die Straße zu starren oder das umliegende Land zu betrachten, das sich in seiner Erscheinung genauso wenig änderte wie der Himmel darüber. Er ließ sich dann wieder, wie um zu dösen, in den Sitz sinken. Die Gebäude, schon in Hafennähe sehr dünn gestreut, wurden immer seltener, und umso ärmer die Landschaft, dies monotone, wie vom Himmel flachgedrückte Grün, desto gleichgültiger wurde die Zeit, deren einzige Uhr das unregelmäßige Drehen einer neuen Zigarette war, die der Fahrer stets auf die gleiche nachlässige Art wie die vorhergegangene rauchte. Er bot Hans von seinem Tabak nichts an. Vielleicht, dachte Hans, wirke ich jünger, als ich es bin, oder es gehört hier nicht zur Gastfreundschaft, den Tabak zu teilen, oder die Gastfreundschaft, die ich auf dieser Fahrt genieße, ist ohnehin keine freiwillige, sondern eine nur auf Befehl des Mannes mit der Sonnenbrille oder aufgrund eines mir unbekannten Geschäftes mit ihm oder anderen gewährleistete.
Dass der Fahrer die Geschwindigkeit verlangsamt hatte, dessen wurde Hans erst gewahr, als der Wagen einige Meter vor einer Abfahrt zum Stehen kam. Der Fahrer wandte sich, das erste Mal auf der gemeinsamen Fahrt, zu Hans um und bedeutete ihm mit einer Geste, auszusteigen. Einige hundert Meter weiter lagen einige langgestreckte und in der sonst leeren Gegend in ihren Ausmaßen überdimensioniert wirkende Gebäude zu beiden Rändern der Straße. Hans stieg aus. Auch der Fahrer, eine Zigarette im Mundwinkel, stieg aus. Hans ging um den Wagen herum und hielt dem Fahrer, in Ermangelung eines verständlichen Wortes, die Hand entgegen. Der Händedruck war kalt und rissig. Der Fahrer deutete noch auf die in der Nähe liegenden Gebäude und ging dann einige Schritte in das Grün hinein, um sich, von der Straße abgewandt, geräuschvoll zu erleichtern. Hans ging am Rand der Straße auf die Gebäude zu und verspürte etwas wie Angst über das Vergehen der Stunden, etwas wie Angst vor der kommenden Nacht in diesem ihm in Sprache und Umgangsformen, auch bezüglich der Geographie und sonstiger Beschaffenheit fremden Land.
Den Gebäuden näherkommend, verlangsamte Hans seinen Schritt. Es handelte sich um aus schwarzen Platten gefügte, mit gläsernen und stählernen Elementen ergänzte Gebäude, meist ein- oder zweistöckig, die einen überraschend neuen, wie eben erst hergesetzten, wie zusammengefügt und poliert durch die Wolkendecke hindurch aus dem Himmel herabgelassenen Eindruck machten. Der Himmel mochte voller solcher fester, reiner Dinge gewesen sein, die einen eher geisterhaften, alles anderen als festen, sicheren oder zugehörigen Eindruck auf irdischer Ebene hervorriefen. Weiterhin verwundert war Hans, nun langsam zwischen den Gebäuden entlanggehend, über das Fehlen von Türen und über die Leere hinter dem Glas, das zwischen die Platten gefügt war. Zu Hans’ rechter Hand zweigte eine kleinere Straße ab und führte zu einem die anderen an Größe überragenden Gebäude. Die Front des Gebäudes, vor der die kleinere Straße in einem Platz endete, war um eine ebenfalls gläserne Tür herum vollständig verglast. Vor der Front, in der Nähe einer Aschenbechersäule, trat ein in einen schwarzen Anzug gekleideter Mann müßig von einem Bein auf das andere und rauchte. Hans, der sich schon in einer menschenleeren Siedlung unbetretbarer Gebäude gewähnt hatte, trat auf den Mann im Anzug zu. Der Mann nahm keine Notiz von Hans und blickte stattdessen wie etwas abwägend in den Himmel, bis Hans ihn ansprach.
Hans fragte: Sprechen Sie meine Sprache? Der Mann schnippte die Asche von seiner Zigarette und sagte: Das weiß ich nicht, aber offenbar sprichst du meine. Er lächelte, ohne über seine Antwort sonderlich amüsiert zu scheinen, und zog an seiner Zigarette. Der Mann roch intensiv nach Rasierwasser, und seine abfällige Art behagte Hans nicht besonders, aber er war auf dieses Gespräch angewiesen, es schien das derzeit einzig mögliche zu sein. Sind Sie auch mit dem Schiff gekommen, fragte er. Ich weiß nicht, antwortete der Mann, mit welchem Schiff du gekommen bist, aber ich bin auf einem Schiff hierhergekommen. Er warf seine Zigarette zur Seite und holte ein Päckchen einer Hans bekannten Marke aus einer Innentasche seines Anzugs, klappte es auf und hielt es Hans hin. Als Hans nach einer Zigarette greifen wollte, zog der Mann es wieder zurück und prustete kurz auf, wobei ein wenig dünner Schleim aus seinen Nasenlöchern stieß. Er wischte mit dem Ärmel unter seiner Nase entlang und hielt Hans erneut das Päckchen hin. Ich rauche nicht, sagte Hans. Ich wollte Ihnen bloß den Spaß nicht verderben. Der Mann hob die Schultern und legte die Zigaretten auf die Aschenbechersäule. Gehen wir hinein, sagte er. Hans griff nach dem Päckchen und folgte dem Mann durch die sich selbsttätig öffnende Glastür. Vielleicht, dachte Hans, hätte ich auf ein anderes Schiff warten sollen. Aber das spielte nun keine Rolle mehr.
Der Raum hinter der Glastür war groß und an seiner Größe gemessen nahezu leer. In der Mitte standen einige aus Sofas, Sesseln und niedrigen Tischen zusammengestellte Sitzgruppen, und auf der der Tür gegenüberliegenden Seite war eine lange schmale Empfangstheke. Sobald der Mann mit dem Anzug und Hans den Raum betraten und auf eine der Sitzgruppen zugingen, kam eilfertig ein dicker Mann in einem trotz seines Umfanges zu weiten Frack hinter dieser Rezeption hervor und eilte auf sie zu. Der Mann im Anzug setzte sich und Hans setzte sich ihm gegenüber. Der dicke Mann wartete in leicht vorgebeugter Haltung, bis der Mann im Anzug einige Worte in der Hans unbekannten Sprache an ihn richtete. Ruckartig beugte der dicke Mann mehrere Male seinen Kopf und verschwand durch eine Tür hinter der Rezeption, wobei er ob der Eile ein leichtes, dennoch in dem nahezu leeren Raum durch den Hall deutlich vernehmbares Keuchen von sich gab. Der Mann im Anzug streckte Hans über den Tisch hin seine Hand entgegen und fragte: Wie heißt du? Hans drückte seine Hand, die den Druck nur schwach und wie eine zu feste Berührung aus einem Widerwillen heraus scheuend erwiderte, und hob die Schultern. Der Mann im Anzug lächelte ein beinahe sympathisches Lächeln, als wäre Hans’ Heben der Schultern etwas, das er aus etwas wie einem Herzen heraus verstehen könnte, ein Verhalten, das er selbst lange Zeit gepflegt, aber seit mindestens genauso langer Zeit schon nicht mehr nötig habe. Mein Name ist Haanewaldt, sagte Haanewaldt.
Sind Sie geschäftlich hier, fragte Hans. Haanewaldt nahm ein weiteres Päckchen Zigaretten aus seiner Tasche, steckte sich eine zwischen die Lippen und hielt Hans das geöffnete Päckchen hin. Hans hielt noch das Päckchen, das er von der Aschenbechersäule mitgenommen hatte, in den Händen und nahm sich eine daraus. Haanewaldt zündete seine eigene Zigarette an, besah einige Zeit sein Feuerzeug und schob es dann, wie eines erneuten Scherzes überdrüssig, zu Hans hin. Hans zündete seine Zigarette an; beide rauchten. Wenn man Geld hat, sagte Haanewaldt, ist hier alles sehr billig. Die Sprache hier ist leicht zu erlernen, die Menschen hier sind sehr dumm. Wenn man kein Geld hat, dann hat man hier genauso wenig wie in jedem anderen Land. Wenn man Geld hat, ist hier alles sehr, sehr billig.